Kategorien
Allgemein Behörden BLB Hundefreunde-Scharpenacken Justiz LSG NSG UNB

Ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 2014 äußert Bedenken zum Hundefreilauf

In diesem (etwas längeren) Artikel schauen wir zurück in die Vergangenheit, genauer in die Jahre 2011 bis 2014, und danach zurück in die Gegenwart.

Eine konfliktträchtige Zeit für den Scharpenacken. Das Land erwirbt den ehemaligen Truppenübungsplatz, baut JVA und Landesschulen, 30ha Fläche werden hierfür als Ausgleichs- und Kompensationsfläche (teils) eingezäunt, das Naturschutzgebiet „Murmelbachtal“ erweitert und bis dahin gewohnte Nutzungen müssen, auch dank massiver Lobbyarbeit, verschwinden. Bis auf eine …

Zur Vorgeschichte

Wir beginnen unseren juristischen Ausflug im Jahr 2012. In diesem Jahr hat die Untere Naturschutzbehörde (UNB), damals noch Untere Landschaftsbehörde (ULB), einer Nutzergruppe, den Modellfliegern, auf dem Scharpenacken untersagt, ihrem Hobby weiter nachzugehen. Es wurden sogar Bußgelder gegen Modellflieger ausgesprochen. Die Begründung war, dass im Landschaftsplan Wuppertal-Ost der Modellflug untersagt ist und gegen die Schutzzwecke des Landschaftsplans verstoßen wird.

„Dieses Gebiet liegt im Geltungsbereich des im Jahr 2005 in Kraft getretenen Landschaftsplanes (…), der es als Landschaftsschutzgebiet ausweist und der unter Ziffer A. 8. seiner textlichen Festsetzungen das Verbot enthält, Motorflugmodelle oder Leichtflugzeuge über dem Gebiet zu betreiben.“

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 11 K 2805/13

Daraufhin hat sich eine Interessengemeinschaft (IG) gegründet, die (Segel-)Modellflug auf Teilbereichen des ehemaligen Truppenübungsplatzes betreiben wollte und hierfür am 15.10.2012 bei der UNB Wuppertal auch eine Ausnahmegenehmigung beantragt hat. Dieser Antrag wurde am 1.2.2013 seitens der UNB abgelehnt, woraufhin die IG einen Monat später, am 1.3.2013, Klage beim Verwaltungsgericht Düsseldorf auf Erteilung einer Befreiung von den Maßgaben des Landschaftsplans eingelegt hat. Am 16.4.2014 folgte das Urteil des VG Düsseldorf: „Die Klage hat keinen Erfolg„.

Soweit zur Vorgeschichte.

Einblick in das Urteil

Es ist uns gelungen, das Aktenzeichen des Urteils in Erfahrung zu bringen und eine Veröffentlichung in der Rechtsprechungsdatenbank NRWE zu beantragen. Das Urteil ist dort mittlerweile auch (anonymisiert) veröffentlicht und, für den geneigten Leser, hier zu finden:

VG Düsseldorf, Urteil v. 16.4.2014, 11 K 2805/13

Warum ist dieses Urteil für uns interessant und einen ganzen Artikel wert? Im Urteil heißt es:

„Die von der Klägerin [IG] genannten Sachverhalte (im Wesentlichen: die Beklagte [UNB] erlaube bzw. dulde, dass Hunde auf der in Rede stehenden Fläche ohne Leine laufen dürften und dass dort sogenanntes „Kitelandboarding“ betrieben werde) sind schon deshalb nicht vergleichbar, weil eine ausdrückliche Erlaubnis dieser Nutzungen durch die Beklagte – soweit ersichtlich – nicht vorliegt. Ferner kann sich die Klägerin auch deshalb nicht mit Erfolg auf das Gleichbehandlungsgebot berufen, weil gegen die Rechtmäßigkeit der von ihr angeführten Nutzungen ebenfalls Bedenken bestehen. Zwar mag ein entsprechendes Verbot dieser Nutzungen nicht ausdrücklich in dem Landschaftsplan ausgesprochen worden sein. Es bestehen jedoch Bedenken, ob diese Nutzungen dem besonderen Schutzzweck des Landschaftsplanes, wie er der Klägerin entgegengehalten worden ist, ebenfalls zuwiderlaufen und sie damit dem allgemeinen gesetzlichen Verbot aus § 34 Abs. 2 LG NRW unterfallen. Besteht somit erst die Pflicht der Beklagten, die von der Klägerin angeführten weiteren Nutzungen auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls ordnungsbehördlich einzuschreiten“

ebd.

Die IG hatte in ihrer Klage u.a. geltend gemacht, dass eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen (tatsächlich stattfindenden) Nutzungen besteht. Das Gericht hat dies verneint und die Pflicht der UNB betont, die Rechtmäßigkeit dieser anderen Nutzungen (insb. den Hundefreilauf) im Hinblick auf § 34 Abs. 2 LG NRW zu prüfen, da eine „ausdrückliche Erlaubnis (…) nicht vorliegt„.

Der angesprochene Paragraph des Landschaftsgesetzes NRW, mittlerweile abgelöst vom Landesnaturschutzgesetz (LNatSchG NRW), ordnet alle Handlungen in LSGs dem jeweiligen Schutzzweck unter:

„In Landschaftsschutzgebieten sind (…) nach Maßgabe näherer Bestimmungen im Landschaftsplan alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebietes verändern können oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen.“

§ 34 Abs. 2 LG NRW

Im aktuellen LNatSchG NRW findet sich die Entsprechung kurz und prägnant:

„Nutzungen von Grundstücken, die den Festsetzungen des Landschaftsplans (…) widersprechen, sind verboten.“

§ 23 Abs. 5 LNatSchG NRW

hinzu kommt:

„Die Betretungs(…)befugnisse dürfen nur so ausgeübt werden, dass die Belange der anderen Erholungssuchenden (…) nicht unzumutbar beeinträchtigt werden“

ebd. § 59 Abs. 2 – Grenzen der Betretungs- und Reitbefugnisse, Schäden aus Erholungsverkehr

Zur Begründung, den Modellflug nicht zu genehmigen, führt die UNB bei Gericht den Schutzzweck des Landschaftsplans an:

„Die Festsetzungen des Landschaftsplanes sind unter anderem erfolgt zur Erhaltung, Ergänzung, Pflege und Entwicklung von Hecken, Gebüsch- und Gehölzsäumen sowie zur Erhaltung, Entwicklung und Optimierung der Lebensräume insbesondere von Vögeln (vgl. Ziffer 2.3 auf Seite 36 der textlichen Festsetzungen des Landschaftsplanes).“

VG Düsseldorf a.a.O.

Kurz zurück in der Geschichte

Es macht Sinn, an dieser Stelle ins Jahr 2011 zurück zu blicken, genauer zum 29. September. Aufgrund einer Abrede zwischen dem BLB (Eigentümer) und der UNB vom 19.9.2011 fand ein Treffen im Vereinsheim des Boxerclubs Wuppertal e.V. zum Thema „Hunde auf dem Scharpenacken“ statt. Alle Anwesenden dieses Termins, also auch die UNB, einigen sich,

„dass gleiches Recht und gleiche Pflicht für alle Erholungssuchenden (Radfahrer, Spaziergänger, Reiter, Modellbauflieger, etc.) gilt.“

„Vermerk zum Außentermin „Hunde auf dem Scharpenacken“ am 29-09-2011″ v. 30.9.2011. Verfasser: Dr. Hoffmann (UNB) (Protokolle der Runden Tische (PDF))

Obgleich der maßgebende Landschaftsplan bereits aus dem Jahr 2005 datiert, ist hier keine Rede von Schutzzwecken und die Modellflieger werden noch in einem Atemzug mit anderen Erholungssuchenden genannt.

Es muss also seitens der UNB in der Zeit von September 2011 bis Februar 2013 ein Sinneswandel stattgefunden haben, der den bereits seit 2005 verbotenen, aber bislang geduldeten, Modellflug aus der Reihe der legitimen Erholungssuchenden ausschließt und ihn den Schutzzwecken des Landschaftsplans unterordnet. Oder sollten wir sagen: den Hundefreilauf begünstigt und über die Schutzzwecke stellt?

Dies finden wir nur einen Monat später, nämlich am 27.10.2011, bestätigt. Bei einem weiteren Treffen der UNB mit den Hundefreunden Scharpenacken im Rathaus Barmen stellt die UNB, wiederum vertreten durch Dr. Hoffmann, unmissverständlich klar, dass

„aktuell eindeutig festzustellende naturschutzrechtliche Verbotshandlungen (…) ohne begleitende öffentliche Information durch Stichprobenkontrollen der Ordnungsbehörden festgestellt und verfolgt (werden)“

„Ergebnisvermerk zum Gespräch mit den Hundefreunden Scharpenacken am 27.10.2011 im Rathaus Barmen“ v. 27.10.2011. Verfasser: Dr. Hoffmann (UNB) (Protokolle der Runden Tische a.a.O.)

Gleichzeitig wird festgestellt:

„Die eingegangenen Verpflichtungen des BLB zum Natur- und Artenschutz sind dabei nicht verhandelbar.“

ebd.

Bereits hier lässt sich die wirksame Lobbyarbeit der Hundefreunde gegen andere Nutzergruppen erkennen. Es wird seitens der UNB nur noch auf explizite „Verbotshandlungen“ rekuriert und nicht, wie vom Gesetz verlangt, sämtliche Handlungen entsprechend des Schutzzwecks abgewogen.

Nur 6 Monate später wird klar, um was es geht. Erneut treffen sich die UNB, der BLB und die Lobby der Hundefreunde. Trotz notwendiger Zaunreparaturen der eingezäunten Kompensationsflächen aufgrund von Beschädigungen im 5-stelligen Bereich alleine in den ersten Monaten des Jahres 2012 besteht seitens der Teilnehmer Einigkeit:

dass die Hartnäckigkeit, Schnelligkeit und Unsinnigkeit der erneuten massiven Zerstörungen „einem kleinen speziellen Täterkreis“ zuzuordnen ist. Bedeutende Einzelkonflikte seien insbesondere rücksichtsloses Reiten und Radfahren auf dem Hauptweg und aggressives Modellfahren und -fliegen. „Hier liegt die Lösung offensichtlich in einer ordnungsbehördlichen Verfolgung

vgl. „Vermerk zum Rathaustermin ‚Scharpenacken‘ am 25.4.2012“ v. 4.5.2012. Verfasser: Dr. Hoffmann (UNB) (Protokolle der Runden Tische a.a.O.)

Innerhalb von nur 7 Monaten und 3 Treffen des „Runden Tisches“ wird die Nutzergruppe der Modellflieger durch die massive Lobbyarbeit der Hundefreunde vom Erholungssuchenden mit „gleichen Rechten und Pflichten“ zum ordnungsbehördlich „Verfolgten“.

Es ist übrigens nicht so, dass die Modellflieger nicht gewillt waren, Vorschläge zu machen und sich Regeln aufzugeben. An den Runden Tischen wurden sie dennoch nicht beteiligt.

Während also die eine Nutzergruppe ihre Interessen durchsetzt und trotz Sachbeschädigungen, Verkotung und Beeinträchtigung der Kompensationsflächen (vgl. Protokolle der Runden Tische, a.a.O.) „Sonderbehandlungen“ vom Eigentümer und der UNB erfährt, ohne deren Vereinbarkeit mit den Schutzzwecken je offiziell geprüft, erlaubt oder genehmigt zu haben, werden andere Nutzergruppen diffamiert, ordnungsbehördlich verfolgt und schließlich zum Klageweg gezwungen.

Die Problematik „Hunde auf dem Scharpenacken“ und der Gleichbehandlungsgrundsatz

Das VG Düsseldorf hat in seinem Urteil sehr deutlich auf die Frage einer möglichen Ungleichbehandlung geantwortet, in dem es feststellt:

„Unmittelbar aus Artikel 3 Abs. 1 GG lässt sich der geltend gemachte Anspruch [auf eine Ausnahmegenehmigung; A.d.V] ebenfalls nicht herleiten. Anders könnte es nur dann sein, wenn die Erteilung der Befreiung erforderlich wäre, um eine sonst eintretende, mit Artikel 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung zu vermeiden. Dabei ist zu beachten, dass die Klägerin lediglich eine Gleichbehandlung mit einem rechtmäßigen Vorgehen in anderen Fällen verlangen kann (keine „Gleichheit im Unrecht“) und dass ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nur vorliegt, wenn bei im Wesentlichen gleicher Sach- und Rechtslage ohne hinreichenden sachlichen Grund (willkürlich) unterschiedlich vorgegangen wird.“

VG Düsseldorf, a.a.O.

Lässt der Blick zurück in die Geschichte womöglich Willkür erkennen?

Ausgehend vom Konfliktpotential der verschieden Nutzungen für Schutzzwecke, Landschaftsplanung, Verboten, Natur- und Artenschutz, Kompensationsflächen und der unverhandelbaren Verpflichtung des Eigentümers (vgl. zum Besitz in öffentlichen Hand § 2 Abs. 4 BNatSchG), müssten sämtliche (Erholungs-)Nutzungen im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit den landschaftsplanerischen Schutzzwecken, -zielen und Verboten gleichbehandelt werden. So verstehen wir die obige Aussage des VG Düsseldorf auch als Rüge gegenüber der UNB, den Gleichheitsgrundsatz zu beachten.

Bekräftigt wird diese Auffassung vom Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen (LEP NRW). Hier heißt es:

„landschaftsorientierte Nutzungen, die an bestimmten Orten räumlich konzentriert sowie in hoher zeitlicher Intensität erfolgen, können im Einzelfall nicht naturverträglich sein und zu erheblichen Störungen von empfindlichen Tierarten und Lebensräumen führen.“

LEP NRW, S. 64

Gehen wir nochmal kurz in der Geschichte zurück. Die Runden Tische und Treffen der UNB mit der Hundelobby kamen 2011 nämlich überhaupt erst aufgrund der

Problematik ‚Hunde auf dem Scharpenacken‘

„Vermerk zum Außentermin „Hunde auf dem Scharpenacken“ am 29-09-2011″ v. 30.9.2011. Verfasser: Dr. Hoffmann (UNB) (a.a.O.)

zustande, so schreibt es Dr. Hoffmann! Um also die größte Konfliktgruppe auf dem Scharpenacken zu befrieden, wurden gegenüber dieser, ungeachtet der Schutzzwecke, Kompromisse und Zugeständnisse gemacht, während andere Nutzungen und Handlungen klar als den Schutzzwecken zuwiderlaufend beschieden und ordnungsbehördlich verfolgt wurden.

Sprung in die Gegenwart

Der Landschaftsplan Wuppertal-Ost wurde seit 2005 nicht weiter fortgeschrieben, obgleich die Höhere Naturschutzbehörde dies wohl immer wieder auch angemahnt hat. Wäre er fortgeschrieben, so hätte die UNB wohl auch diese abgegebene Begründung im Verfahren am VG Düsseldorf nicht nur geäußert, sondern auch umgesetzt bzw. umsetzen müssen:

„Die (…) genannten anderen Freizeitnutzungen [Hundefreilauf u. Kitelandboarding; A.d.V.] seien entweder aufgrund straßenrechtlicher Regelungen erlaubt bzw. würden bei der nächsten Änderung des Landschaftsplanes ebenfalls ausdrücklich verboten.“

VG Düsseldorf, a.a.O.

Würden Schutzzwecke und Verbote nach Maßgabe des Landschaftsplans eingehalten und umgesetzt, so sind neben dem Modellflug auch die Beschädigung von Ufern, Gewässern, Brut- und Lebensstätten, Verunreinigungen, Nutzungsänderungen und Gewerbebetrieb verboten (vgl. LSP Wuppertal-Ost).

Würden Verbote eingehalten käme der Eigentümer seinen „unverhandelbaren“ Verpflichtungen nach, so hätte es unter anderem am 16.3.20, 15.4.20, 23.4.20, 24.4.20, 7.5.20, 21.5.20, 26.5.20, 2.6.20, 16.6.20, 17.7.20, 21.7.20, 16.9.20, 9.5.21, 21.08.21, 22.08.21, 02.09.21, 04.09.21, 05.09.21, 06.09.21, 08.09.21, 12.09.21 und 12.03.22 (unvollständige Auflistung) entweder keinen Modell- oder Drohnenflug (mit Kameras) geben dürfen oder die UNB müsste als Sonderordnungsbehörde dem Eigentümer gegenüber tätig werden und auf die Einhaltung des Landschaftsplans bestehen und ggf. auch ein Bußgeld wegen Duldung und Unterlassung festsetzen.

Im Spiegel der heutigen Nutzung erfüllt der Scharpenacken durch tatsächliche Übung klar das Merkmal eines „Hundeauslaufgebietes mit Erlaubnischarakter“. Seine Stellung bzw. sein Image in den sozialen Medien bestätigt dies (vgl. #scharpenacken). Zum Wohle nur einer abgeschlossenen Benutzergruppe und nicht zum Wohl der Allgemeinheit wurden und werden andere Nutzergruppen verdrängt, Schutzzwecke und Verbote ignoriert, der Außenbereich geopfert und von der Allgemeinheit verlangt, Raum und Gelegenheit für Hundehalter zur Verfügung zu stellen.

„Ebenso wenig wie die Halter anderer Heimtiere verlangen können, dass die Allgemeinheit ihnen Räume, Flächen und sonstige Gelegenheiten für eine artgerechte Haltung ihrer Tiere zur Verfügung zu stellt, gilt dies auch für Hundehalter.“

OVG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 27.05.2010 – OVG 5 A 1.08

Eine Befreiung von Ge- und Verboten nach § 69 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) LG NRW kann erfolgen, so das VG Düsseldorf

„wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern.“

VG Düsseldorf, a.a.O.

Und weiter:

„Durch Gründe des Wohls der Allgemeinheit gedeckt sind alle Maßnahmen, an denen ein öffentliches Interesse besteht. Liegt ein solches vor, ist zu prüfen, ob dieses die Befreiung erfordert. Eine Befreiung ist nicht erst dann erforderlich, wenn den Belangen der Allgemeinheit auf keine andere Weise als durch die Befreiung entsprochen werden könnte, sondern schon dann, wenn es zur Wahrnehmung des jeweiligen öffentlichen Interesses vernünftigerweise geboten ist, mit Hilfe der Befreiung das Vorhaben an der vorgesehenen Stelle zu verwirklichen. Es genügt nicht, wenn die Befreiung dem allgemeinen Wohl nur irgendwie nützlich oder dienlich ist. Ist die Befreiung in diesem Sinne erforderlich, müssen die Gründe des Wohls der Allgemeinheit die geschützten Belange des Landschaftsschutzes, von denen zu befreien ist, in der konkreten Wertung überwiegen.“

VG Düsseldorf, a.a.O.

Im bisherigen Verlauf sollte deutlich geworden sein, dass hier wiederum eine Rüge des Gerichtes gegenüber der UNB zu erkennen ist, nämlich aufgrund Duldung und Quasi-Befreiung und aufgrund der Nicht-Wahrnehmung der gesetzlichen Verpflichtungen der UNB zur Landschaftsplanung und Steuerung.

Gegen die Maßgabe, „mit Hilfe der Befreiung das Vorhaben an der vorgesehenen Stelle zu verwirklichen“ spricht, dass der Hundefreilauf nicht an einer dafür vorgesehenen Stelle, welche vorrangig nicht im Außenbereich, sondern im Innenbereich umzusetzen ist (vgl. OVG NRW, 10 A 237/11), nicht auf Grund einer Befreiung bzw. expliziten Erlaubnis an einer vorgesehen Stelle nach landschaftsplanerischen Maßgaben verwirklicht wurde. Viel mehr wurde dem Druck, dem Lobbyismus und den leeren Versprechungen einer einzelnen Nutzergruppe nachgegeben und durch Nutzungsänderung ein Hundeauslaufgebiet auf einer Fläche geschaffen, deren Schutzzwecke und Pufferfunktionen, auch und gerade im Hinblick auf die Kompensationsflächen und den Biotopverbund, hierfür gänzlich ungeeignet ist.

Das VG Düsseldorf merkt hierzu an:

„Der Schutz und die Entwicklung von Naturräumen auch und gerade in stadtnahen Bereichen erweist sich als hoher öffentlicher Belang. Ihm gegenüber hat die ihrer Art nach kollisionsträchtige Freizeitbeschäftigung eines überschaubaren Personenkreises – vorbehaltlich nicht beabsichtigter Härten bzw. auszuschließender Kollisionen im Einzelfall – im vorliegenden Fall zurückzutreten, zumal es nicht ausgeschlossen ist, dass im Stadtgebiet der Beklagten Alternativflächen für die Ausübung (…) gefunden werden. (…) Auch auf Vertrauensschutz kann sich die Klägerin gegenüber dem im Jahr 2005 in Kraft getretenen Verbot nicht berufen. Allein der Umstand, dass seit vielen Jahren an der von der Klägerin verlangten Stelle Modellflug betrieben wird, begründet gegenüber Änderungen der Rechtslage kein schutzwürdiges Vertrauen.“

VG Düsseldorf, a.a.O.

Im Sinn hatte das Gericht hier wohl wieder nicht nur die eine bestimmte „kollisionsträchtige Freizeitbeschäftigung“ nur eines „überschaubaren Personenkreises“ (Modellflug), sondern „kollisionsträchtige Freizeitbeschäftigungen eines überschaubaren Personenkreises“ im Allgemeinen (eben auch den Hundefreilauf), die gegenüber einem hohen öffentlichen Belang zurückzutreten haben. Auch der Hundefreilauf genießt demnach keinen Vertrauensschutz, der sich auf „ältere Rechte“ (vgl. VG Düsseldorf, 15 K 460/04) bezieht, denn je länger man wartet,

„desto mehr Konfliktbeteiligte streiten am Ende um ältere Rechte, um angebliche Vertrauenstatbestände und um die Vergleichbarkeit ihrer Nutzungen und deren Störanfälligkeit, so dass eine Rückführung auf den eigentlichen Widmungszweck unter dem Druck verschiedener Interessengruppen in der Öffentlichkeit kaum mehr beherrschbar oder zumindest massiv erschwert wäre.“

VG Düsseldorf, Urteil v. 23.06.2006, 15 K 460/04 (Hundefreilauf im Hildener Stadtwald)

Schlussbetrachtung

Alles in allem trifft das Urteil des VG Düsseldorf, auch wenn es „nur“ den Modellflug betrachtet, weitreichende Aussagen über den Scharpenacken, äußert deutliche Bedenken gegenüber der Rechtmäßigkeit der genannten anderen Nutzungen (Hundefreilauf & Kitelandboarding), rügt das Vorgehen der UNB und gibt ihr konkrete Verpflichtungen zur Prüfung auf. Die geäußerten Bedenken gegenüber der Rechtmäßigkeit der anderen Nutzungen, insbesondere des Hundefreilaufs, sind mehr als eindeutig. Entgegen einer der Rügen des Gerichtes im Hinblick auf willkürliches Vorgehen im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes, zeigt die Entwicklung in der Vergangenheit deutlich die (willkürliche) Bevorzugung nur einer „kollisionsträchtigen Freizeitbeschäftigung“, nämlich der lautesten und problematischsten. Dies zudem vollkommen abseits der Betrachtung von Schutzzwecken und der Frage der Vereinbarkeit der Nutzungsänderung mit den Grundsätzen der Landschaftsplanung.

Obgleich das Gericht in seinem Urteil bereits 2014 sehr klar die Pflicht der UNB benannt hat, klare und eindeutige Ge- oder Verbotstatbestände zu schaffen, seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Landschaftsplanung im Sinne der Allgemeinheit nachzukommen und die geäußerte Zusage zur Fortschreibung des Landschaftsplans einzuhalten, wurde gerade der als hochwertig erachtete Naturraum eines Schutzgebiets im sensiblen Außenbereich, welches zudem als Insel eingebettet ist zwischen besonders schützenswerten Ausgleichs- und Kompensationsflächen, Prozesswald und Naturschutzgebiet „Murmelbachtal“, zum Hundeauslaufgebiet erkoren, anstatt eine Pufferzone zum Schutz der höherwertigen Flächen und des Biotopverbundes zu schaffen und den Erholungsraum für landschaftsorientierte Nutzungen (vgl. LEP NRW) zu erhalten.

Im gleichen Maße, wie die Interessengemeinschaft der Modellflieger ordnungsbehördlich gezwungen wurde, eine Ausnahmegenehmigung bzw. Befreiung für die weitere Ausübung ihrer Nutzung zu beantragen und dies ggf. auch gerichtlich einzuklagen, müsste dies, im Sinne der Gleichbehandlung auch von der Interessengemeinschaft der Hundefreunde Scharpenacken eingefordert werden. Die Naturverträglichkeit und die Einhaltung der Schutzzwecke und Verbote des Landschaftsplans im Zusammenhang mit dem Hundefreilauf gehört, spätestens seit dem 16.4.2014 gerichtlich bestätigt, auf den Prüfstand!

Eine ordnungsbehördliche Verfolgung von Einzelverstößen ist hier nicht zielführend. Zum einen sind personelle Ressourcen zur Umsetzung einer solchen Maßnahme weder auf Seiten der UNB und noch weniger auf Seiten des Ordnungsamtes vorhanden. Zum anderen haben Erfahrungen anderer Kommunen gezeigt, dass der Weg über Ansprachen, z.B. durch den Einsatz von „Rangern“ nicht erfolgreich sind. (vgl. hierzu die verzweifelten Versuche der Stadt Hilden, dem Hundefreilauf im Hildener Stadtwald Herr zu werden)

Stattdessen sollte bzw. muss die UNB dringend von ihrer Möglichkeit Gebrauch machen, den Eigentümer in seiner Dispositionsbefugnis (Duldung des Hundefreilaufs) zu beschränken, den Freilauf, ggf. auch unter Androhung eines Bußgeldes, zu untersagen und endlich in den lange überfälligen Prozess der Prüfung und Fortschreibung des Landschaftsplans einzutreten. Hierzu gehört dann auch, weitere Nutzungen im Hinblick auf die Schutzzwecke, die Gleichbehandlung, das Wohl der Allgemeinheit und die Beeinträchtigung/Einschränkung anderer Nutzergruppen und Erholungssuchender zu bewerten, insofern dann Ausnahmegenehmigungen und Befreiungen von bestimmten Interessengemeinschaften beantragt werden (müssen).

Auf diese Weise schonen die UNB und die Stadt Wuppertal personelle (ordnungsbehördliche & landschaftsplanerische) Ressourcen, die an anderer Stelle dringender gebraucht werden, wie z.B. beim Thema Radverkehr im NSG „Burgholz“, und zieht den Eigentümer zur Verantwortung, dessen eingegangene Verpflichtungen zum Natur- und Artenschutz, wie wir erfahren haben, ja nicht verhandelbar sind und zudem von der öffentlichen Hand auch vom BNatSchG gefordert werden.

Den Charakter einer geschützten Landschaft zu verändern, sie zum NRW-weit bekannten Hundeauslaufgebiet zu machen und diesen Anschein mit Koteimern zu manifestieren, läuft schon jetzt dem Landschaftsplan zuwider (Stichwort: Veränderung des Charakters)! Das Land NRW, und damit die Allgemeinheit, zum Kostenträger (11.000€/anno) für die Hundekotentsorgung einer einzelnen Interessengemeinschaft (Nutzergruppe) zu machen, dürfte genauso wenig im Interesse der Allgemeinheit sein, wie die Schaffung (tatsächliche Übung) eines Hundeauslaufgebietes im Außenbereich.

Neben der Schaffung von Wohnbebauung steht stattdessen die Verpflichtung der Stadt Wuppertal, für den Hundeauslauf geeignete Flächen im Innenbereich zu finden und auszuweisen!

„Eine Fläche im Innenbereich (dürfte) bereits dann geeignet sein, wenn ihre Umgebung gegen die von einem Hundeauslaufplatz ausgehenden Lärmimmissionen unempfindlich ist und Dritte durch bauliche Vorrichtungen vor Belästigungen oder Gefahren durch die dort frei laufenden Hunde geschützt werden können.“

OVG NRW, 10 A 237/11, a.a.O. – Hundeauslaufgebiet im Außenbereich

Ausblick in die Zukunft

Zum Abschluss möchten wir noch einen Blick in die Zukunft werfen. Die Stadt Wuppertal möchte sich unbedingt für die BUGA 2031 bewerben und es wird hierzu auch einen Bürgerentscheid geben.

Gerade aber mit der Bewerbung um die BUGA geht eine pro-aktive Landschaftsplanung einher. Landschafts-, Natur- und Artenschutz werden in besonderer Weise gefordert und gefragt werden und bauliche Eingriffe erfordern Natur- und Umweltprüfungen, ggf. Ausgleichsflächen und und und…

Ob, wie vom Konzept „BUGA Plus“ vorgeschlagen, ein Radweg durch Kompensationsflächen (Prozesswald, Schmalenhofer Bach) überhaupt genehmigungsfähig wäre, wurde bislang weder diskutiert oder kommentiert noch in Frage gestellt.

Wir fragen uns ernsthaft, ob die Stadt Wuppertal in der Lage ist, mit einem Ressort in die Planungen und Umsetzungen einer BUGA zu gehen, welches es seit 17 Jahren nicht schafft, seine Landschaftspläne fortzuschreiben bzw. es seit über 8 Jahren nicht für notwendig hält oder personell überfordert ist, auf gerichtliche Bedenken, Rügen und Verpflichtungen hin, adäquat zu handeln.


Lesefutter

Eine Antwort auf „Ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 2014 äußert Bedenken zum Hundefreilauf“

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..